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Lessons Learned zu Design 2.0

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Mit etwas Verspätung möchte ich einige Erkenntnisse des vergangenen eVideo-Kurses anführen, die vielleicht auch für andere interessant sein könnten. Gestartet waren wir mit einigen leitenden Fragestellungen für den Kurs, die sich angesichts des Wandels zur globalen Netzwerkgesellschaft abzeichnen. Nicht zuletzt durch die Wirkungsgrade des Web 2.0 verändern sich die Aufgabenfelder des Designs – weg vom Bild genialer GestalterInnen hin zu einem planerischen Brückenbau-Konzept, um Infrastrukturen für kollaborative Gestaltungsprozesse bereitzustellen. An anderer Stelle bin ich diesen Ãœberlegungen etwas ausführlicher nachgegangen.

Design Thinking + kreative Klasse + Gentrification

Was hier bei der Kurs-Reflexion von Interesse scheint, ist die Ambivalenz des “Design Thinking” (DT)-Ansatzes: Zum einen scheint es als Konzept für viele profitorientierte, innovationsabhängige Unternehmen nachgefragt zu werden – um kreativere Lösungen für aktuelle Problemfelder zu finden. Zum anderen wird seitens sozialer Entrepreneure große Hoffnung in DT gelegt, da Innovationen gleich mit Blick auf soziale Nachhaltigkeit initiiert werden könnten. Hier liessen sich die Fähigkeiten der kreativen Klasse, die übrigens eine große Schnittmenge zu sozialen Entrepreneuren aufweisen, gesellschaftlich sinnvoll kanalisieren statt dem schnöden Mammon zu folgen. So die Hoffnung!

Tatsächlich vermochte das DT-Konzept den gestalterischen Auftrag des Designs in das Problembewußtsein einer breiteren Bewegung einzubringen. Kreativität erwächst zum zentralen Hoffnungsträger, um die Probleme der Welt tendenziell lösen zu helfen. Und neue Aufgabenfelder eröffneten sich für die Kreativen. Diese Anbindung kreativer Lösungsmodelle an moderne Branchenentwicklungen wird unterstützt durch die Theorie Richard Floridas zur kreativen Klasse, deren Bedeutung für stadtplanerische Aktivitäten angesagt ist.

Nach Florida’s hochdotierten Vorträgen sind fast alle qualifizierten Berufe des post-industrialisierten Zeitalters der kreativen Klasse zuzuordnen – so benötigt z.B. auch einE ChirurgIn ein gewisses Maß an kreativer Schnitttechnik (nein, Scherz, sie/er benötigt vielmehr auch einen Sinn für kreative Lösungsgestaltung). Und um einen gewissen kreativen Spirit im Umfeld generieren zu helfen, bedürfe es so genannter kreativer Städte oder Metropol-Regionen. So die Theorie. Seitens der Stadtpolitik gilt es demnach, breitere kreative Branchen anzusprechen, da dies die regionale Attraktivität und damit indirekt die Affinität zugunsten des DT-Konzeptes fördere, dies zu Innovationen und “Wachstum” führe etc. pp.. Wir sehen, wie sich der Zeitgeist in sämtliche gesellschaftliche Sub-Kontexte Bahn bricht – und gleichzeitig ein umfangreicher Gentrifizierungsprozess seinen Gang nimmt.

Aus-Bildung von Design 2.0

Design 2.0 sollte als Themenfeld all diese Entwicklungen etwas im Blick haben und die Zusammenhänge erkennen zwischen globalen Entwicklungen hin zur Netzwerkgesellschaft, der Ausdehnung kreativer Schnittstellen und den Nutzungspotentialen des Web 2.0, die maßgeblich dazu beitragen, neue Arbeitsformen zu fördern. Mit anderen Worten: Es geht in diesem Themenfeld nicht um Toolschulung. Die Tools sind lediglich Werkzeuge, wie der Name ja bereits sagt. Interessant für Berufstätige wird es erst an der Stelle, die Möglichkeiten der Netzwerkeffekte für ihre persönliche Weiterentwicklung zu verstehen und dann sukzessive zu nutzen. Das setzt natürlich die Kenntnis von kollaborativen und kreativitätsfördernden Tools und Techniken voraus. Aber das zentrale Problem für die Vermittlung bleibt bestehen (trotz aller DT für Education-Toolkits): Niemand vermag Erfolgsrezepte zu beschreiben. Vielmehr bewegt sich jedeR Einzelne derzeit in einem trial-and-error-Prozess, um seine kreativen Potenziale ggf. gewinnbringend einfließen zu lassen. Dies setzt eine gehörige Portion Selbsterkenntnis und Anpassungsfähigkeit voraus, man könnte auch sagen: Anpassungsdruck. Und damit auch Selbstkritik, die Verdrängungsmechanismen der eigenen Aktivitäten für den Kiez zu verstehen und ggf. Möglichkeiten zu diskutieren, welche Aktionsformen uns die neuen Vernetzungspotenziale bieten, die Vorteile zu nutzen und gleichzeitig potenzielle Nachteile möglichst aufzufangen.

In diesem Kontext ist unser Kurs zu verstehen und der Besuch der 3 kreativen Stätten, (ExRotaprint, Uferhallen und Open Design City) einzuordnen, die uns im Winter einen kurzen Einblick in ihre Konzeptionen und Aktivitäten gaben. Vor allem bei den beiden Weddinger Initiativen besteht die Gefahr (und lässt sich bereits an den ersten benachbarten Cafés im Retro-Look ablesen), dass über diese Kiez-Aufwertung ein Gentrifzierungsprozess erfolgt, der letztlich die Mieten steigen lässt und ärmere Schichten verdrängt – bis schließlich die Kreativen selbst in weiter Zukunft sich diese Gegend nicht mehr leisten können. Gleichzeitig entstehen mit diesen Initiativen attraktive Möglichkeiten, sich selbst einen Arbeitsplatz zu schaffen.

Für alle Beteiligten interessant war in diesem Zusammenhang die hypothetische Frage, welche positive Wirkung Social Media (SM) für diesen Prozess haben könnte, da beide Weddinger Projekte bislang ohne SM aktiv sind. Insofern verbanden wir den Besuch mit einigen Fragestellungen, um entlang der besuchten Initiativen die Potenziale von SM auch für sozial verträgliche Individual- oder Netzwerk-Lösungen kleiner Freiberufler/innen oder Firmen eruieren zu können. Diese Fragen versuchten wir anschließend innerhalb des eVideo-Kurses asynchron in diversen Medien zu diskutieren …

Kollektiver Kulturwandel

Um es kurz zu machen: Mit der asynchronen Kollaboration klappte es noch nicht ganz so gut. Das lag nicht an der konkreten Kurszusammensetzung, sondern scheint für ein grundsätzliches, gesellschaftliches Problem zu stehen. Es ist bekannt, dass gemeinsames Arbeiten für einen altruistischen Zweck den wenigsten Menschen Freude bereitet. Wenn kein unmittelbarer Bezug zur eigenen Arbeit hergestellt werden kann, dann arbeiten viele Menschen vorsichtshalber lieber nicht aktiv mit – oftmals auch, weil befürchtet wird, jemand könne die eigene Idee oder den genialen Gedankengang klauen und gewinnbringend vermarkten. Dieses Verschweigen eines kreativen Impulses, weil jemand anderes davon profitieren könnte, ist aufgrund unseres traditionellen Urheberrecht-Verständnisses so stark verhaftet in unserer Gesellschaft, dass es kaum öffentliche, kollektive Kreativimpulse ermöglicht. Sicherlich, mit DT lassen sich solche Prozesse nach erfolgtem Auftrag mitunter initiieren, aber das Entrepreneurial Design einer anderen Firma/Institution öffentlich zu diskutieren und weiterzuentwickeln, ist vielen fremd. Insofern ist es auch schwierig, hier Lernprozesse anzustoßen, die einen persönlichen Bezug zur Fragestellung ermöglichen könnten. Wir befinden uns im Bildungskontext noch stark in der Konsumierenden-Position und weniger in einer verantwortungsvollen Netz-Position. “Raus aus der Versorgungsmentalität”, um ein beliebtes Bonmot aus anderen Kontexten hier zweckzuentfremden, möchte man am liebsten viele wachrütteln. Fangt an, Euch selbst zu organisieren! Aber gut: dies soll jetzt nicht das Thema sein … ;-)

Schlussendlich mündeten die verschiedenen Bemühungen, die kollektive Intelligenz der beteiligten Personen zu verbinden, in 3 Aufgabenstellungen, denen wir in der letzten Präsenzveranstaltung gemeinsam nachgingen. Die erzielten Ergebnisse stelle ich als Grafik unkommentiert zur Verfügung, um anschließend meine persönlichen Schlußfolgerungen für die ursprünglichen Fragen kurz anzuführen.

1. Aufgabe:
Soziale Vernetzungen werden meist in ihrem Wirkungsfeld für die interne Organisation von Institutionen diskutiert. Für uns aber interessanter ist die Frage: Welche Funktion und welches Potenzial können soziale Vernetzungen über den Einsatz von Social Media mit Blick auf ihre externe Wirkung übernehmen?

2. Aufgabe:
Social Media werden vorzugsweise über ihren Mediencharakter und damit über ihre Außenwirkung definiert. Für uns interessant war allerdings eher die Frage: Welche Funktion und welches Potenzial können die medialen Aspekte von Social Media mit Blick auf ihre interne Wirkung übernehmen?

3. Aufgabe:
Wenn es im Design nicht mehr darum geht, einen vermeintlichen Schein nach außen zu transportieren: Welche Funktion und welches Potenzial kann die Web 2.0-Kultur an der Schnittstelle von internen und externen Prozessen ausüben – mit Blick auf ein Businessmodell im Einklang mit potenziellen Kunden?

Wie man sieht, explodierten in der Präsenzsession die kreativen Impulse und wir konnten einige schöne Beziehungen finden. Was bedeutet dies für solch kreativen Projekte wie z.B. ExRotaprint und die Uferhallen, die in ihrer grundsätzlichen Ausrichtung auch nicht wirklich zu vergleichen sind (ersteres eher sozial engagiert mit Nutzungsmix, letzteres eher profitorientiert mit nachhaltigem Anstrich und klar auf die Kreativen fokussiert)?

Fazit für Projekte wie ExRotaprint & Uferhallen

Greifen wir die den Besuch einleitenden Fragestellungen wieder auf, so lässt sich aus meiner Sicht folgende Assoziationskette formulieren:

Wenn man sich die 6 Schritte des gesamten DT-Prozesses vor Augen führt und sich gleichzeitig die oben angeführten 3 Aufgaben vergegenwärtigt, dann wäre es für zukünftige Projekte sicherlich empfehlenswert, diese jeweils miteinander zu kreuzen.

Die externe Wirkung bestehender sozialer Verbindungen über Social Media schafft vielfältigere Schnittstellen. Damit können nicht nur kreative Synergieeffekte angestossen werden, die neben einem einseitigen Feedback-Kanal auch die aktive Einbindung externer Kreativleistungen von interessierten Personen aus dem Umfeld unterstützen helfen. Es ermöglicht bereits bei der Problemdefinition eine umfassendere Bestandsaufnahme der Umgebungsvariablen und verdichtet sich dann über die folgenden DT-Schritte zu einem Prototypen, der sich grundsätzlich massiv von einem designten Produkt einer “elitären” Initiative unterscheidet.

Jetzt könnte man argumentieren, dass die ausschließliche Organisation des Gestaltungsprozesses erst recht ein elitäres Brainstorming der Social-Media-Personen forciere. Dem sei entgegen gehalten: Diese Ausschließlichkeitsdiskussion, die Offline versus Online stellt, ist eine sehr einseitige Fokussierung – es geht grundsätzlich um die ideale Verbindung der beiden Pole. So kann Social Media über seinen medialen Charakter den InteressentInnen-Kreis erhöhen, um z.B. zu Social Camps o.ä. einzuladen. Auf der anderen Seite können im Anschluss an produktive Präsenz-Meetings kollaborative Online-Instrumente genutzt werden, um in Ruhe asynchron die Arbeit fortzusetzen und qualitativ weiterzutreiben.

Eine Palette an möglichen Social-Media-Instrumenten hatte Nicole ja bereits angeführt. Über diese sehr intensive Zusammenarbeit können sich die sozialen Verbindungen in einem engmaschigen Netzwerk verdichten, die schlußendlich zu fluideren Verbindungen mit dem Umfeld führen. Und damit die Grundlagen schaffen für die Fortsetzung und den Ausbau der nachbarschaftlichen Beziehungen nach Realisierung des Projektes.

Selbstverständlich hätte dieser Öffnungsprozess gravierende Auswirkungen auf die interne Arbeit der eigentlichen Antriebskräfte gehabt. Die Arbeitsorganisation wird komplett umgekrempelt – weniger eMails, mehr vernetztes Arbeiten in den verschiedenen Medienkanälen. Die harte Trennung von intern und extern löst sich auf. Ãœber transparentere Verfahren erfolgt eine Rücknahme des eigenen elitären Anspruchs und eine größere soziale Verantwortung, allen Interessen möglichst gerecht zu werden. Die Rolle des Gestalters transformiert sich hier in die eines Community Managers, der die Netzwerkeffekte produktiv zu nutzen versucht. Gleichzeitig können auch destruktive Kräfte auf die Projektdynamik einwirken. Die Ideen und Menschen können verbal angegriffen werden – das setzt ein souveränes Krisenmanagement auf Seiten der Antriebskräfte voraus.

Sicherlich bedeutet die Integration von Social Media einen Mehraufwand seitens der eigentlichen Antriebskräfte, die aber zu einer größeren Zufriedenheit führen kann, da über die Einbindung der kollektiven Intelligenz ggf. noch bessere Lösungen entwickelt werden können.

Die beiden oben skizzierten Potenziale und Wirkungsmechanismen von Social Media auf die interne wie externe Ausgestaltung des Projektes resultiert zwangsläufig in einem alternativen Businessmodell. Indem Kunden, Mit-/ZuarbeiterInnen, Nachbarn oder potentielle AuftraggeberInnen in den Entwicklungsprozess direkt mit integriert werden, realisiert sich ein “Permanent Beta”-Prozess, wie man ihn bereits von Google kennt. Produkte und Dienstleistungen werden kontinuierlich am Bedarf der NutzerInnen ausgerichtet und weiterentwickelt. Im Austausch entfaltet sich ein generischer Prozess, der eigentlich nur GewinnerInnen kennt und durch die Aushandlung ein maximal zufriedenstellendes Ergebnis für alle Beteiligten entfaltet. Auch diese Entwicklung lässt sich für alle 6 DT-Schritte durchdenken und müßte eigentlich zur Verstetigkeit einer dauerhaft nachhaltigen Lösung beitragen.

Gut, aber was tun, wenn das Projekt bereits erfolgreich ohne Social Media lanciert wurde? Wie könnten die positiven Netzwerkeffekte durch Social Media angestossen werden?

Im Grunde gelten hier dieselben Spielregeln wie soeben beschrieben:

  • Ein offener Diskurs mitsamt allen interessierten Personen fördert eine genauere Beschreibung der eigentlichen Problemstellung.
  • Transparente Strukturen, die auch bestehende Machtverhältnisse durcheinander wirbeln können, fördern den sozialen Zusammenhalt.
  • Multiple Kommunikationskanäle ermöglichen eine bessere Durchlässigkeit und Verankerung der Positionen von innen nach außen und von außen nach innen.
  • Den eigenen Kontrollanspruch über die kommunizierten Inhalte aufzugeben, unterstützt das Verantwortungsgefühl aller Parteien.
  • Virale Kommunikationsanlässe schaffen niedrigere Hürden, über die neue Interessierte einsteigen können.
  • Vielfältige Schnittstellen aufzubauen, die sowohl on- wie offline wirken, wäre das zentrale Ziel einer kompetenten Netzwerk-Strategie.
  • Undsoweiter …

Das Ganze möglichst im strukturierten Verfahren des DT-Prozesses – sprich: Erst einmal einen Rahmen schaffen, über den eine möglichst genaue Problemdefinition maximal kollaborativ erarbeitet werden kann. Und erst dann mit fundierten potentiellen Lösungswegen aufwarten. Allen Ad-hoc-aus-dem-Bauch-Lösungen mißtrauen und langsam aus einem emergenten Bedürfnis heraus mediale Schnittstellen aufbauen.

Natürlich lässt sich mit viel Geld eine große PR-Kampagne aufsetzen und die eigene Marke in den Markt drücken. Aber das ist PR – und keine nachhaltige integrierte Lösung des tatsächlichen Problems.

In diesem Sinne möchte ich es bei diesen ersten Andeutungen belassen. Auf jeden Fall hat mich das Thema gepackt. Im Rahmen von FrolleinFlow werden wir u.a. diesen Fragestellungen in Zukunft weiter nachgehen. Wer sich für solcherart Kreativthemen interessiert: Bitte hier entlang …

Soviel zum Ergebnis des Design 2.0-Kurses. Puh, ganz schön lang geraten. Sorry for that!


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